Beseitigung der Oppositionsparteien [4]

Das Formieren der parlamentarischen Opposition begann schon Anfang November 1944 mit den ersten Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bulgarischen Kommunistischen Partei und den Vertretern der anderen Parteien, die an der
Regierung der „Vaterländischen Front“ beteiligt waren.

Auf Verlangen der nichtkommunistischen Parteien in der Regierung und mit Beschluss der Alliierten Kontrollkommission wurden die für den 26. August 1945 ausgeschriebenen Wahlen für die Volksversammlung aufgeschoben. Das war der erste Erfolg der Opposition gegen das Diktat der BKP.

Karrikatur, Tageszeitung 1945 „Freies, demokratisches und mächtiges Bulgarien“
Foto F.K.

Politische Parteien der legalen Opposition:

Bauernpartei (BZNS)
Vorsitzender Nikola Petkov,
Presseorgan „Narodno zemedelsko zname“

Sozialdemokraten (BRSDP)
Vorsitzender Kosta Lultchev,
Presseorgan „Swoboden narod”

Demokratische Partei
Vorsitzende Nikola Muschanov / Alexander Girginov, Presseorgan „Zname”

Radikale Partei
Oppositionelle Gruppe unabhängiger Intellektueller
Vorsitzender Prof. Petko Stajnov

Anfang Juni 1946 besuchte die Führung der Bulgarische Kommunistische Partei Moskau und bekam Instruktionen für einen harten Kurs zur Sowjetisierung Bulgariens sowie zur Ausschaltung der Opposition. Der erste Schlag wurde gegen den Spitzenpolitiker der Sozialdemokratischen Partei, Krastju Pastuhov, geführt. Er wurde am 26.Juni 1946 festgenommen, zu 5 Jahren Haft verurteilt und im Gefängnis erwürgt. Verhaftet wurde auch der Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitung „Swoboden narod“ Tzvetan Ivanov.

Am 27. Oktober 1946 wurden die Wahlen für die Volksversammlung durchgeführt. Trotz Terror, Verhaftungen von Parteifunktionären der Opposition und massiver Wahlfälschungen bekam die Opposition 101 Plätze in der Volksversammlung von insgesamt 465 und bildete zwei parlamentarische Oppositionsgruppen:
Die Gruppe der Bauernpartei mit Nikola Petkov und die Gruppe der Sozialdemokraten.

Nachdem am 10. Februar 1947 in Paris der Friedensvertrag mit Bulgarien unterschrieben worden war, begann die BKP unverhüllt Verfolgung und Repressionen gegen alle führenden oppositionellen Politiker. Am 5. Juli 1947 wurde die parlamentarische Immunität des Vorsitzenden der vereinigten Opposition, Nikola Petkov, aufgehoben. Er wurde zum Tode verurteilt und im Sofioter Zentralgefängnis hingerichtet.

In einer Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Harry S. Truman, vom 16. September 1952 anlässlich des fünften Jahrestages der Exekution von Nikola Petkov heißt es: „Das amerikanische Volk wie auch die anderen Völker der freien Welt wird den Gerichtsmord an Nikola Petkov im Jahr 1947 nicht vergessen, wie auch seinen mutigen Kampf gegen die Kräfte des kommunistischen Totalitarismus in Bulgarien nicht. Durch seinen Tod ist der Welt der Sinn seines Kampfes gegen die Tyrannei viel klarer geworden…“

Nach amtlichen Angaben der Staatssicherheit vom September 1947 wurden alle aktiven Mitglieder der Oppositionsparteien unter Agentenbeobachtung gestellt. Im Oktober 1947 wurden Parteiführer der bürgerlichen Opposition wie Nikola Muschanov, Stoitcho Muschanov, Alexander Girginov, Prof. Venelin Ganev, Atanas Burov, Petko Stajnov, Christo Manafov, Slavi Tchorbadzhigoschev, Stefan Gubidelnikov, Boris Pantchev, Dimitar Varbanov, Georgi Panajotov und andere zwangsausgesiedelt. Zugleich wurden sie vom Staatssicherheitsdienst in „Operativen Vorgängen“ erfaßt. Im selben Jahr 1947 wurden 721 Mitglieder der Oppositionsparteien in Konzentrationslager geschickt.

Am 14. November 1947 begann die Gerichts-verhandlung gegen den Schriftsteller Trifon Kunev.
Er wurde wegen der Herausgabe eines Bandes mit Satiren gegen das Regimes angeklagt, in dem es heißt:
„Ich habe mich entschlossen, ein dauerhaftes Dokument über die Widerstandsbewegung des bulgarischen Volkes zu hinterlassen…
Die Widerstandskraft der Bulgaren gegen die ihre Menschenwürde beleidigende Versklavung ist riesig…“

Nach der brutalen Abrechnung mit den Führern und Aktivisten der demokratischen und nichtkommunistischen Parteien, die Opposition geleistet hatten, richtete die kommunistische Regierung ihre Anstrengungen auf die Vernichtung des bulgarischen Offizierskorps sowie auf die Zerschlagung aller patriotisch gesinnten Vereinigungen.

In den Monaten Juli und August 1945 bereitete die Staatssicherheit eine Reihe inszenierter Gerichts-prozesse gegen die sogenannten „Legionäre“ vor, die sie als gefährlichste Gegner der kommunistischen Macht einschätzte. Von insgesamt 68 Angeklagten wurde über 13 die Todesstrafe verhängt, die anderen erhielten viele Jahre schwere Kerkerhaft.

„Embros“, Athen, 25 November 1945:
„Maritza wirft Leichen von Bulgaren an ihre Ufer. Es wird vermutet, dass diese aus Bulgarien angeschwemmten mehrere Duzend Leichen bulgarische ‚Reaktionäre’ sind, die ein paar Tage vor den Wahlen erschlagen wurden, um die Bevölkerung einzuschüchtern und für die kommunistische Front zu stimmen.“

„Estija“, Athen, 19. Februar 1946:
„Am Vorabend der Wahlen schwemmten die trüben Wellen der Maritza unzählige Leichen ans Ufer der Ägäis an. Diese wurden von vielen Griechen und englischen Amtspersonen gesehen. Die entsprechenden Berichte, die diesen Fakt belegen, befinden sich noch in den Archiven.“

 Zur Sowjetisierung

Am 4. Dezember 1947 stimmte die Volksversammlung mit der absoluten Mehrheit der Bulgarischen Kommunistischen Partei der neuen „Verfassung der Volksrepublik Bulgariens“ zu. Damit änderte sie die Form der Staatsführung radikal, in dem sie das Prinzip der Gewaltenteilung austauschte gegen das einer totalitären Einheit von Staatsmacht und Bulgarischer Kommunistischer Partei.

„Gaset de Lozan“, Losan, 27. Dezember 1947:
„Die Verfassung ist fast eine Kopie der stalinistischen Verfassung… Manche Verordnungen öffnen den Weg für Eigenmächtigkeiten und missachten die Rechte und Freiheiten der Menschen entgegen den Vereinbarungen in den Friedensverträgen.“

Die BKP benutzte das Justizsystem zur Durchsetzung ihrer Diktatur und fixierte eine repressive Gesetzgebung, die rücksichtslos gegen politische Gegner und Opponenten angewendet wurde. Es begannen politische Gerichtsprozesse, die mit Todesstrafen, unterschiedlich langen Haftstrafen, Straflagerurteilen, Zwangsaussiedlungen und anderen Repressalien endeten.
Sie erklärte das „Volkseigentum“ zur ökono-mischen Basis der Gesellschaft und begann in der Folge mit der völligen Liquidierung des Privateigentums in Industrie und Gewerbe wie der privaten Landwirtschaft.

In Verwaltung, Armee, Wirtschaft, Bildung sowie im kulturellen und Geistesleben wurde überall das Sowjetmodell durchgesetzt. Die Sowjetunion wurde für alle Autoren und Künstler thematisch wie politisch Vorbild und Pflicht.

„Wima“, Athen, 8. April 1947
„Die Buchhandlungen sind überfüllt und bieten nur russische Ausgaben über Lenin, Stalin, Marx und die Sowjetunion an. Die Portraits Stalins und Molotovs hängen überall, daneben die von Dimitroff … In irgendeinem Saal üben Jugendliche aus irgendeiner Organisation die sowjetische Staatshymne ein, die jetzt die zweite Nationalhymne der Bulgaren ist.“

Aus dem Bericht des Bevollmächtigten Botschafters Großbritanniens in Sofia, Antony Lambert, vom 2. Januar 1959:
„Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass über jeden Bulgaren, einschließlich der Mehrheit der Führung, der Schatten der Angst und die Moskauer Hand des Todes hängen.“

Unterwürfigkeit und Nachahmung des sowjetischen Modells in der zentralen Leitung der BKP dauerten auch nach ihrer offiziellen Distanzierung vom Personenkult um Stalin an. Sie reichten sogar so weit, dass vor dem Plenum des ZK der BKP im Juli 1963 der Erste Sekretär der BKP, Todor Zhiwkow, die Frage nach einem „politischen Zusammenschluss“ Bulgariens mit der Sowjetunion stellte, die er im Oktober desselben Jahres auch dem sowjetischen Parteichef Nikita Chrustchov als offiziellen Beschluss der bulgarischen Parteiführung antrug.
Alle 167 Mitglieder des ZK der BKP hatten diesem Beschluss zugestimmt.

>> Zwangskollektivierung der Landwirtschaft [5]

 

„Einflusssphären“,
Foto F.K.

Agitation und Propaganda,
Privat Archiv
“Amerika wird die Wahlen nicht anerkennen…“,
Foto F.K.