Die Grenze [12]

Eine Form des passiven Widerstands gegen das Regime war die lebensgefährliche Flucht über die streng bewachte Grenze. Flüchtlingen, denen es gelang, illegal die Grenze zu überwinden, wurden vom Regime als Landesverräter behandelt.
Man verurteilte sie in Abwesenheit und wandte unterschiedliche Formen der Repression auch gegen Familienangehörige und Verwandte an.
Diese wurden gezwungen, Einschränkungen und Bestrafungen in wirtschaftlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht in Kauf zu nehmen.

Aufnahmen der Bulgarische Grenze im Stasi Archiv,
BSTU MfS-HA-IX-17587, S. 0265

Hunderte bulgarischer Bürger aber verloren ihr Leben beim Versuch, über die Grenze zu flüchten. Ein Erlass des Präsidiums der Volksversammlung vom 28. August 1952 erlaubte den Grenzpolizisten, auf Flüchtlinge zu schießen.
An der Süd- und Westgrenze Bulgariens finden sich deshalb zahlreiche Gräber erschossener Männer und Frauen, die nur wegen ihres Versuchs, in die freie Welt zu fliehen, getötet wurden. Diese Gräber sind, wie auch die Gräber der nach dem 9. September 1944 Getöteten oder in den Konzentrationslagern Umgekommenen, nicht gekennzeichnet. In den ersten Jahren nach der Machtübernahme durch die Kommunisten wurden sogar viele Oppositionelle an die Grenze verbracht, um dort von Mitarbeitern der Geheimpolizei „auf der Flucht“ erschossen zu werden.

Von den 60er bis zum Ende der 80er Jahre wurden die Minenfelder und der Spitzelapparat in den Grenzzonen, deren Tiefe 15 bis 20 km und mehr entlang der gesamten Landesgrenze betrug, so perfektioniert, dass das illegale Überwinden der Grenzsperren fast unmöglich wurde. Bis 1975 wurden Fluchtversuche mit 15 Jahren Gefängnis bestraft.

Nach der Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 versuchten auch viele Bürger der DDR über die Südgrenze Bulgariens in den Westen zu fliehen. Manche von ihnen ließen dort ebenfalls ihr Leben. Die an der bulgarischen Grenze gefassten DDR- Bürger wurden Mitarbeitern der Staatssicherheit der DDR übergeben und per Flugzeug in ihre Heimat zurückgeführt.

Die bulgarische Staatssicherheit (DS) funktionierte als integraler Teil des Systems der Staatssicherheitsdienste aller Ostblockländer mit seinem Zentrum in Moskau. Im Rahmen dieser Konstellation bestand auch zwischen den Staats-sicherheitsdiensten der Volksrepublik Bulgarien und der DDR enge Zusammenarbeit.
Diese entsprach der leninschen Auffassung:
Die Macht der Sowjets benötigt „eine militärische Organisation aus Agenten“. Sie äußerte sich in der Verfolgung der eigenen Bürger, im Neutralisieren von politischen Gegnern, Ausspionieren und Anwerben ausländischer Bürger, Industrie-spionage, Ausführung von KGB-Aufträgen in Drittländern, Observation der politischen Emigration, als auch im gegenseitigen Bespitzeln.

>> Die Grenze [13]

Bericht eines ehemaligen Grenzsoldaten über die Hinrichtung von sieben Jugentlichen in der Nähe des Grenzstreifens 1948
Privatarchiv

Zeitung „Rabotnitchesko delo“ Aug. 1963,
Foto F. K.

Grenzschild DDR,

Privatarchiv