Artikel 2 des Friedensvertrages zwischen Bulgarien und den Alliierten, ratifiziert von bulgarischer Seite am 26. August 1947, Gesetzblatt Nr. 201 vom 30. August 1947, in Kraft getreten am 15. September im selben Jahr lautet:
„Bulgarien verpflichtet sich, die notwendigеn Maßnahmen zu ergreifen, allen Personen ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache, Religion, die sich unter ihrer Jurisdiktion befinden, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten zu garantieren, einschließlich Redefreiheit, Pressefreiheit, Freiheit der Religionsausübung, der politischen Überzeugungen und der Versammlungsfreiheit.“
Ungeachtet dessen missachtete das kommunistische Regime in Bulgarien während der gesamten Periode seiner Existenz von 1944 bis 1990 systematisch und unbestraft die Menschenrechte, wie sie auch in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der UNO von 1948 niedergeschrieben sind.
Rechte und Freiheiten, die den Bürgern entzogen wurden
- Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.
- Das Recht, nicht willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen zu werden.
- Das Recht, solange als unschuldig zu gelten, wie die Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle zur Verteidigung notwendigen Garantien gegeben waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.
- Das Recht, sich frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
- Das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.
- Das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.
- Das Recht auf Rede- und Pressefreiheit.
- Das Recht, sich friedlich zu versammeln und zu Vereinigungen zusammenzuschließen.
- Das Recht, zu wählen und gewählt zu werden.
- Das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.
- Das Recht, vor dem Gesetz gleich zu sein und Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz zu haben.
- Das Recht, nicht der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.
- Das Recht, nicht willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt zu werden.
- Das Recht auf Information.
Die Verheimlichung der Gefahren der Katastrophe von Tschernobyl
Als am 26. April 1986 in Tschernobyl die bis zu diesem Zeitpunkt schwerste Havarie in der Geschichte der Atomindustrie geschah, verheimlichte die Parteiführung Bulgariens die Wahrheit darüber und informierte seine Bürger nicht über die damit verbundenen Gefahren. Für sich und ihre Angehörigen jedoch unternahm sie alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen. Die normalen Bürger aber wurden nicht vor der radioaktiven Wolke über dem Land gewarnt. Am 1. Mai jenes Jahres, als die radioaktive Verseuchung über Bulgarien am stärksten war und kontaminierter Regen über dem Land niederging, verpflichteten die Machthaber das Volk zur Teilnahme an der Parade zum 1. Mai.
Am gleichen Tag fanden zahlreiche Betriebsausflüge statt, Sportveranstaltungen füllten die Stadien, Tausende Mütter gingen mit ihren Kindern ins Freie und kauften frischen Salat und Gemüse. Zur selben Zeit zogen sich die gut informierten Parteifunktionäre hinter den Betonmauern ihrer Büros und Häuser zurück, nahmen vorsorglich Medikamente ein, tranken und aßen radioaktiv unbelastete Lebensmittel, die für sie zum Teil sogar aus dem westlichen Ausland besorgt worden waren.
Die Privilegien der Machthaber
Der Staat, der sich als „sozialistisch“ bezeichnete und der Mehrheit seiner Bürger die Grundrechte und Freiheit raubte, sicherte zugleich den Partei-funktionären ein mehrschichtiges System von Privilegien. An der hierarchischen Spitze der Privilegierten stand die hohe Parteinomenklatura. Dazu gehörten sämtliche Mitglieder und Kandidaten des ZK der Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP), die Mitglieder des Ministerrates, des Staatsrats, Abteilungsleiter im ZK, die Ersten Sekretäre der Bezirkskommitees der BKP sowie zahlreiche ehemalige Funktionäre der Partei und ihre Familien.Sie verfügten praktisch über unbegrenzte Macht und genossen alle Güter der westlichen Gesellschaft, die für die Normalbürger nicht zugänglich oder in manchen Fällen nur unter Strafe zu besitzen waren.
Für sie wurden Spezialgeschäfte eröffnet und unter halten, besondere medizinische Betreuung, Erholungsheime, Wohnungen, Residenzen, landwirtschaftliche Betriebe für ökologisch reine Lebensmittel-und Getränkeherstellung. Für die Organisation dieser Privilegien war die Verwaltung für Sicherheit und Bewachung (UBO) zuständig.
Auf den nächsten Stufen nach unten standen die Bezirks-, Gemeinde-, Stadt- und Dorffunktionäre – bis zum einfachsten Parteimitglied. Zur privilegierten Minderheit gehörten auch die Mitarbeiter sämtlicher repressiver Organe wie der Staatssicherheit oder des Ministeriums des Innern. Die privilegierte Stellung der Parteimitglieder war im Artikel 1 der Verfassung der Volksrepublik Bulgariens verankert. Er bestimmte, dass die Bulgarische Kommunistische Partei die führende Rolle in der Gesellschaft hat.
Dieses Prinzip wurde auch auf die Justiz übertragen, denn ohne die Einwilligung der Partei konnte kein Parteigenosse zur Verantwortung vor Gericht gezogen werden. Jedes Parteimitglied hatte einen Vorzug bei der Postenvergabe, beim Zugang auf Hochschulen und Universitäten u.a.
Zu den so Privilegierten gehörten auch die aktiven „Kämpfer gegen den Faschismus und den Kapitalismus“ – eine besondere und zahlenmäßig ständig anwachsende Kategorie in der Parteioberschicht. Die Bezeichnung „Kämpfer gegen den Faschismus“ sollte diese Gruppe der kommunistischen Macht vor der demokratischen Welt als besonders moralisch legitimieren. Jede aktive oder passive Meinungsverschiedenheit mit der kommunistischen Ideologie wurde damals in der Parteiterminologie deshalb als „faschistisch“ oder als „Faschismus“ denunziert.
Bereits im Juni 1945 wurde die Durchführungsverordnung „Gesetz für die Volksrenten“ – bestätigt, welche die Parteimitglieder mit hohen Renten und anderen Privilegien begünstigte. Diese „Volksrenten“ für „aktive Kämpfer gegen den Faschismus und den Kapitalismus“ waren aber nur ein Teil der Privilegien, die diese Kaste samt Kindern, Enkeln und angeheirateten Familienmitgliedern als Erbrecht erhielt. Sie hatte eine immer garantierte Bevorzugung bei Anstellungen, Karriereaufstieg oder wissenschaftlicher Graduierung.
Sie bekam kostenlos oder fast kostenlos, große Wohnungen in den zentral gelegenen Stadtteilen gebaut, verfügte über eine besondere medizinische Versorgung, über Vorrang beim Autokauf und hatte sogar besonders bewachte Friedhofsareale.
Der Kreis der Berechtigten wurde immer wieder erweitert und erfasste schließlich auch Blutsverwandte dritten Grades, ebenso die Angeheirateten. Mit den Jahren und entgegen der Logik stieg die Zahl der „aktiven Kämpfer gegen den Faschismus und Kapitalismus“ bis 1989 stetig an. Ende der 70er lag sie bei über 200 000 Personen.
Aus dem Bericht der britischen Botschaft in Sofia vom 9. Februar 1960 über die Privilegierung von Personen, die das Regime stützten:
„So gibt es in der Praxis eine Elite, deren Lebensstandard mindestens zehn Mal höher ist als der eines Durchschnittsbulgaren…“
>> Das Regime tritt ab [16]
Georgi Zarkin Journalist und Dichter,
11 Jahre politischer Häftling, ermordet im Gefängnis,
Privatarchiv
Gesetz für Aberkennung der Altersrenten der Personen, die faschistische Tätigkeit ausgeübt hatten,
Foto F. K.
Abonnementverbot für Schüler, Zeitschriften zu beziehen, welche nicht genehmigt sind.
Foto F. K.