Beschlagnahmung des privaten Eigentums der Industrie, des Bankwesens und des Handels [6]

Im Frühjahr 1946 inszenierte die kommunistische Partei eine breit angelegte Kampagne zur Durchsetzung der „Diktatur des Proletariats“ und zur Abschaffung des privaten Eigentums auch in der Industrie, in Handwerksbetrieben sowie im Handel. Zeitgleich mit der Durchführung einer Reihe politischer Strafverfahren wurde am 8. September 1946 ein Gesetz zur Konfiszierung von Besitz veröffentlicht, der, wie es darin hieß, durch “Spekulation und auf ungesetzliche Weise erworben wurde”.
Paragraf 1 dieses Gesetzes lautete, dass aller nach 1935 erworbener und von dieser Bestimmung betroffener beweglicher und unbeweglicher Besitz, Geld, Aktien usw. zu Gunsten des Staates konfisziert werde. Unter „Spekulation“ wurde in diesem Gesetz jede freie Wirtschafts-, Handels- und Finanztätigkeit verstanden.
Аlexander Girginov, einer der Führer der oppositionellen Demokratischen Partei: „Das Gesetz bezweckt die Expropriation des Besitzes, der Fabriken, der Betriebe und damit verbundenen Produktionsmittel, welche sich im Besitz von Personen befinden, die der Regierung nicht genehm sind und wirtschaftlich und materiell vernichtet werden müssen“
Georgi Dimitrof, Ministerpräsident:
„Die Nationalisierung war einer der wichtigsten Schritte der volksdemokratischen Macht zur Umwandlung des kapitalistischen Eigentums ins sozialistische.“
Nachdem die Kommunisten ab Ende 1947 in Bulgarien eine Einparteienherrschaft nach sowjetischem Vorbild geschaffen hatten, konnten sie sich ganz ihrem Vorhaben widmen, das Privateigentum auch in der Industrie zu vernichten.
Am 18. Dezember 1947 nahm das Politbüro des ZK der BKP den Gesetzesentwurf für die Enteignung der Privat-, Industrie- und Bergbaubetriebe an, über den die Große Volksversammlung am 23. Dezember abstimmte.

Die Verordnung dieses Gesetzes betraf und enteignete u.a. das Privateigentum der metallverarbeitenden und der Bergbaubetriebe, der Textilindustrie, der Bierbrauereien, der Bau- und Chemieindustrie, der Butterherstellung. Betroffen vom selben Gesetz waren auch die Geldmittel der Betriebe sowie deren Bankkonten und andere Wertgegenstände.

Die Durchführung der Enteignung wurde geheim vorbereitet. Die Kommunistische Partei begann mit dem Besetzen der Betriebe schon am 22. Dezember 1947, noch bevor die Volksversammlung das Gesetz verabschiedet hatte.

Die Prozedur war einfach: Der Eigentümer des Betriebes übergab die Kassenschlüsse und den Schlüssel seines Büros an die unangekündigt und plötzlich bei ihm erschienene Kommission. Er unterzeichnete ein förmlich verfasstes Protokoll, das er den Betrieb der Volksmacht überlässt. Beim Verlassen des Betriebes durfte er nur seinen Mantel mitnehmen.

Nach diesem Akt verkündete die Fabriksirene, dass der Partei- und Regierungswille erfüllt wurde. Die Eigentümer wurden auch von allen Posten und Stellungen als Experten und Fachleute in den Industrie- und Handelsbetrieben sowie den Banken entlassen.
Enteignet wurden aber nicht nur deren Kapital-anlagen und das Grundkapital, sondern auch der größere Teil ihrer privaten Immobilien, Bank-konten, Wohnungen, ihre Wertgegenstände, Autos usw. Am 25. Dezember 1947 wurde das Gesetz zur Einführung des Staatsmonopols auf das Banken-wesen erlassen, und kraft dieses Gesetzes wurden 31 bulgarische und ausländische Banken enteignet.

Nach der Enteignung wurde in Bulgarien anstelle der abgeschafften Marktwirtschaft eine bürokratische Ökonomie ohne Unternehmeranreiz errichtet, die in die Hände der Funktionäre der Kommunistischen Partei gelegt wurde. Sie erfasste das gesamte Spektrum des Wirtschaftslebens.

In Bulgarien blieb davon kein einziges Privatunternehmen, kein privater Handwerksbetrieb, einschließlich Dienstleistungs- und Kleinhandels-unternehmen unberührt.

Die Expropriation betraf auch die Privatwohnungen einer bestimmten Kategorie von Bürgern. Im Jahr 1948 fingen die Wohnungskommissionen bei den Stadträten damit an, die Privatwohnungen in der Hauptstadt und in den anderen großen Städten Bulgariens zu „verdichten“ und dort Funktionäre der kommunistische Partei und von ihr berufene Beamte und Angestellte einzuquartieren.

Die meisten von ihnen wurden aus der Provinz rekrutiert. Genau das gleiche geschah mit den Wohnungen der Hingerichteten, der Zwangsumgesiedelten oder in Konzentrationslagern Internierten. Mit dem Gesetz über das unbewegliche Stadteigentum (Immobilien im weitesten Sinne) enteignete die kommunistische Macht vollständig oder teilweise Häuser, Villen, Büros auch anderer wohlhabender Eigentümer, die zu Gegnern der neuen Macht erklärt wurden.

>> Verfolgung der Kirche [7]

„Die Expropriation weitet sich aus“,
Privatarchiv