Im Unterschied zu anderen Ländern in Ost- und Mitteleuropa, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins sowjetische Einflussgebiet gerieten, bestand die Landbevölkerung Bulgariens bis 1944 hauptsächlich aus mittleren und kleinen Landbesitzern mit eigenem Boden. Im Jahr 1946 besaßen 57,9% der Bauern zwischen 0,5 und 2 ha eigenen Boden und nur 3,9% – zwischen 2 und 5 ha.
Charakteristik der Landwirtschaft Bulgariens in den 1930er in Bezug auf Landbesitz:
Größe (Fläche des Landwirtschaftsbetriebes) |
In % zu allen Landwirtschaftsbetrieben | Charakter des Landwirtschaftsbetriebes |
Bis 0,1 ha | 11.78 % | Sehr klein |
0,1-0,2 ha | 12.31 % | Sehr klein |
0,2-0,5 ha | 32.86 % | Klein |
0,5-1,0 ha | 28.13 % | Mittel |
1-3 ha | 14.30 % | Groß |
mehr als 3 ha | 0.67 % | Groß |
Mit der seit 1944 begonnenen Kollektivierung der Landwirtschaft zielte die kommunistische Macht darauf ab, dem Privateigentum an Grund und Boden in Bulgarien ein Ende zu bereiten.
Im April 1945 nahm die neue Staatsmacht die „Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Bildung von Landwirtschaftlichen Produktions-genossenschaften“ an und begann mit brutalsten Methoden, zu denen physische wie psychische Schikanen gehörten, die vollständige Zwangskollektivierung durchzusetzen.
Den Bauern wurde der gesamte Grund und Boden genommen, das landwirtschaftliche Inventar (Pflüge, Büffelkarren und Kutschen), die Landwirtschaftsmaschinen (Traktoren, Dresch- und Mähmaschinen) sowie alle Arbeits- (Büffel, Pferde) und Nutztiere (Kühe und Schafe).
Das Plenum des Zentralkomitees der BKP vom 12. und 13. Juli 1948 bestätigte das sowjetische Modell der wirtschaftlichen Entwicklung Bulgariens und rief zum verstärkten Kampf gegen die “Kulaken” sowie zum verschärften Klassenkampf im Dorf auf.
Der Höhepunkt des Kampfes der neuen Staatsmacht gegen das Privateigentum in der bulgarischen Landwirtschaft und somit gegen die Bauern lag in den Jahren 1950 – 1954.
Im Jahresbericht der Regierung für das Jahr 1958 wird festgehalten, dass bereits 92% des Nutzbodens in den Besitz der TKZS (Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften) übergegangen sind, was 93% aller Haushalte im Land betrifft.
„Jablanischer Dorfgemeinderat Befehl Nr.102 Jablanitza, 27.November 1950 Auf Grund des Beschlusses der BKP im Dorf Jablanitza-Teteven, 27. November 1950, werden folgende Personen zu Kulaken und Volksfeinden erklärt:
1. Dimitar Mikov Markov und seine Söhne
2. Dako Nejkov Jakimov
…
10. Dako Vutkov und seine Söhne.
Die oben Genannten dürfen keine Dienste des Dorfgemeinderates und der anderen staatlichen Einrichtungen in unserem Ort nutzen. In Zukunft darf keiner von ihnen in Geschäften, Restaurants und Konditoreien etwas verkaufen, außer Salz. Die Verletzter derselbigen werden strengstens bestraft.
Abschrift dieses Befehls soll an sichtbaren Stellen angeklebt werden und allen Verwaltungen, in den Geschäften, Restaurants, Konditoreien und anderen Einrichtungen zur Ausführung ausgehändigt werden.
Vorsitzender (Unterschrift) Ivan Tzanov Ivanov“
Der bulgarische Bauer, der durch die Jahrhunderte immer Landbesitzer gewesen war und über eine große Zahl eigener Arbeits- und Haustiere verfügte, wurde auf einmal zum besitzlosen Landarbeiter in einer von Parteiaktivisten der örtlichen Parteiorganisation verwalteten Kolchose.
In den 20er Jahren hatte bereits in der bulgarischen Landwirtschaft die kooperative Bodenbewirtschaftung begonnen. Im Jahr 1935 gab es bereits 1239 Kooperativen, die jedoch das kommunistische Regime gleich nach dem 9. September 1944 auflöste, um das Modell der Kolchosen in der bulgarischen Landwirtschaft, die TKZS (ähnlich der LPG in der DDR), total durchzusetzen.
Gegen Ende der 50er gab es in der Landwirtschaft des „sozialistischen“ Bulgariens – einem Land mit traditionell starker Landwirtschaft und bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend bäuerlicher Bevölkerung – keine privaten Landwirte mehr.
Dieser Eliminierungsprozess hatte in den folgenden Jahren schwerste demografische, wirtschaftliche und soziale Schäden zur Folge.
Anzahl der TKZS und der Mitgliedshaushalte, 1944 – 1957
Jahr | Anzahl der TKZS | Anzahl der Haushalte |
1944 | 17 | 649 |
1945 | 382 | 34 000 |
1946 | 480 | 41 000 |
1947 | 549 | 46 000 |
1948 | 1100 | 124 000 |
1949 | 1601 | 156 000 |
1950 | 2501 | 502 000 |
1951 | 2739 | 582 000 |
1952 | 2747 | 553 000 |
1953 | 2744 | 569 000 |
1954 | 2723 | 569 000 |
1955 | 2735 | 591 000 |
1956 | 3100 | 911 000 |
1957 | 3202 | 1 017 000 |
1959 | 3972 | 1 290 000 |